Eberhard Przyrembel: Rede zum Auftakt des Ostermarschs in Duisburg, 04.04.2015 (Es gilt das gesprochene Wort)
Wer mich kennt, weiß, daß ich mich bei der katholischen Friedensorganisation PAX CHRISTI engagiere und seit 24 Jahren beim FriedensForum Duisburg mitarbeite.
„DER KRIEG BEGINNT HIER“ ist Thema dieser Auftaktveranstaltung.
Weil vor 70 Jahren der 2. Weltkrieg beendet wurde, ein paar Bemerkungen vorweg: 1. Als damals Deutschland und Halbeuropa in Trümmern lagen, war der Aufschrei allgemein: N I E W I E D E R K R I E G !
Jeder weiß, daß Aufforderungen in Verbotsform wie „Nicht rauchen!“, „Nicht prügeln!“ unwirksam sind, weil pädagogisch und psychologisch gesehen bloß etwas verhindert werden soll und doch das Rauchen wie das Prügeln im Gedächtnis bleiben. „Frieden schaffen ohne Waffen!“ – da weiß jeder, was Sache ist.
2 Um diesen Spruch „Nie wieder Krieg!“ zu umgehen, wird der Gebrauch des Wortes „Krieg“ vermieden: Kosovo – Afghanistan – Irak – Syrien – Libyen – Ukraine .
Da ist nicht die Rede von „Krieg“. Man sucht „militärische Lösungen“, zeigt dazu grausame und erschütternd Bilder von diesen Konflikten in aller Welt und weckt das schlechte Gewissen der Öffentlichkeit: Da muß doch eingegriffen werden! Selbstverständlich kommt nur militärische Gewalt in Frage. Und dann erhält dieses militärische Vorgehen stets das Etikett „Humanitäre Aktion“.
3. Unsere Regierenden, Männer wie Frauen, halten Ausschau nach neuen Ideen und schlagen plötzlich vor, eine „Europäische Armee“ aufzustellen, um so die Politik der Einheit Europas wieder zu beleben. Gleich verschwindet die himmelschreiende Katastrophe der Flüchtlinge. Täglich verrecken im Mittelmeer ca. 50 Menschen, die in Europa ihr Heil suchen. Die erste Reise des neuen Papstes ging nach Lampedusa. Nach seiner aufrüttelnden Predigt gab Italien dem moralischen Empfinden nach und rettete Tausende Menschen …ein Jahr lang. Denn die europäische Union – das (christliche ? ) Abendland ? – ließ die Italiener allein, denen wurde diese wirklich humanitäre Aktion zu teuer. Jetzt werden wieder die Grenzen geschützt statt die Menschen in Not! – Und wir halten Ausschau nach einer „Europäischen Armee“!
Wenn ich ein Bild für mein Lebensgefühl heute suche, erinnere ich mich an die Winter in Norddeutschland vor 60 Jahren: Gräben, kleine Flüsse, Teiche froren zu und wir konnten auf den bequemen, „Holländer“ genannten, Schlittschuhen spielen oder spazieren gehen. Ein beliebtes Vergnügen. Selten achtete jemand auf das Leben unter der Eisdecke. An Stellen mit klarem Eis waren Fische und bewegte Pflanzen zu sehen – eine völlig andere Welt als das Vergnügen auf dem Eis.
So kommt mir auch unsere Lebenswelt heute vor. Wir beschäftigen uns mit oberflächlichen Lappalien. Da geht es um eine Auto-Maut, die uns Deutsche nichts kosten soll – oder der Stinkefinger eines Griechen – eine Fußballweltmeisterschaft in einer Wüste mit glühender Hitze …
Die weltbewegenden und unsere Zukunft bedrohenden Probleme bleiben unter der Decke der öffentlichen Aufmerksamkeit.
Wenn wir heute sagen: „Krieg beginnt hier“, dann protestieren wir gegen eine Politik der Verharmlosung, der Heimlichtuerei und Täuschung, gegen eine Politik der Unterwanderung des zivilen Lebens und der Irreführung, wodurch Zivilcourage und Kreativität unterdrückt werden – das glatte Gegenteil von „Demokratie wagen“, und „Gerechtigkeit und gutes Leben für alle“.
Unser Grundgesetz sagt (Art.25,1), daß die Führung eines Angriffkrieges v o r b e r e i t e n bereits strafbar ist. In Absatz 2 heißt es dort, daß „Kriegswaffen nur mit Genehmigung der Regierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden dürfen“. Carlo Schmid hat damals bei den Beratungen zum Grundgesetz vorgeschlagen, – um den Wiederaufbau einer Kriegswaffenindusrtrie zu verhindern – : Kriegswaffen dürfen w e d e r hergestellt n o c h befördert o d e r in Verkehr gebracht werden. Das wurde abgelehnt – und so hat Deutschland heute eine Kriegswaffenindustrie, die in manchen Sparten weltweit führend ist. Das aber bedeutet „Krieg beginnt hier!“ – Ja, der Erhalt der Arbeitsplätze in der Kriegswaffenindustrie! Doch ihr Anteil am Bruttosozialprodukt macht keine 5% aus. Die Facharbeiter dort wären leicht in anderen Branchen der Metallindustrie unterzubringen.
Seit die Wehrpflicht abgeschafft wurde, muß die Bundeswehr Freiwillige werben – „Werben fürs Sterben“, ergänzt der Volksmund.
Die Bundeswehr sagt in Ihren Prospekten: „Wir. dienen. Deutschland“ Man maßt sich an, von uns, von WIR Deutschen zu reden und vereinnahmt für sich das „Dienen“ Weiter im Text ist dann die Rede vom „attraktivsten und vielfältigsten Arbeitgeber“, der mit einem „attraktiven Gehalt“ eine „sichere Karriere“ verspricht. Zusätzlich: „Erleben Sie gleichzeitig (zB) die Faszination der Seefahrt“ – Ein merkwürdiges Verständnis von „Dienen“. Ich denke bei „Dienen“ an Freiwilliges Soziales Jahr, an Krankenhäuser, Altersheime, Kindererziehung, Straßenreinigung, Müllabfuhr.
Krieg beginnt hier“ als blendendes Versprechen, Vorspiegelung einer attraktiven Karriere!
In allen Bundesländern hat die Bundeswehr „Kooperationsverträge mit den Kultusministerien „erarbeitet“: Im Jahr 2013 hielten Jugendoffiziere als „Karriereberater“ 8700 Vorträge an Schulen für 189 000 Schülern. Zugleich versucht die Bundeswehr, Einfluß auf die Aus- und Fortbildung der LehrerInnen zu gewinnen, dh den Glauben, daß Gewalt Probleme und Konflikte lösen kann, in den Köpfen der Pädagogen zu verankern! So beginnt hier unterschwellig Krieg.
Ausgerechnet in Sachsen-Anhalt – nicht in NRW – hat der Kultusminister im November 2014 verfügt, daß „die Berufswerbung für die Streitkräfte während der Unterrichtszeit verboten ist und daß Truppenbesuche unzulässig sind, wenn sie Eventcharakter haben“. In Thüringen hat die neue Regfierung das Kooperationsabkommen gekündigt.
Das Militär hat an Schulen, Arbeitsämtern nichts zu suchen! Doch gerade an den Universitäten und Hochschulen findet ein geheimer Kampf um die „Köpfe“ der Studierenden statt. „Krieg beginnt hier!“ Wer das nicht glaubt, wird im Internet beim Stichwort „Geheimer Krieg“ schaurige Überraschungen erleben.
SZ und NDR haben bereits vor 6 Jahren die Pentagon-Finanzierung deutscher Hochschulen herausgefunden und offengelegt. Die Regierenden im Bund wie in den Ländern schweigen dazu. Außerdem kam heraus, daß die USA von Stuttgart aus („Africom“) tödliche Drohnen nach Afrika dirigieren. – Unsere Regierung in Berlin weiß wieder von nichts.
In den USA ist die finanzielle Abhängigkeit vieler Universiten von Geldern des Pentagon „Patriotismus“. Da wird Rüstungsforschung als „Grundlagen- oder Sicherheitsforschung deklariert. Von Karlsruhe ausgehend wurden inzwischen Initiativen gegründet zur Einführung einer „Zivilklausel“ in die jeweiligen Hochschulordnungen, nämlich, daß Forschung, Lehre und Studium nur zivilen und friedlichen Zwecken dienen soll. 21 Hochschulen haben bereits so eine „Zivilklausel“ und an 52 Hochschulstandorten gibt es Initiativen „Hochschulen für den Frieden – Ja zur ´Zivilklausel´“ mit der Forderung nach Transparenz der Drittmittelbeschaffung. Alle sollten auf diesbezügliche „Kleine Anfragen“ der Linken im Bundestag achten. Da kommen oft erstaunliche Antworten zu Tage!
„Krieg beginnt hier!“ Ja, in den Kommunen heißt das „zivilmilitärische Zusammenarbeit“. Ich werde ein paar Zitate aus dem Internet vorlesen, aus denen hervorgeht, was da gespielt wird: „In Notlagen und Katastrophen ist jede Hand gefragt, die zupacken und unterstützen kann. Die Bundeswehr kann helfen … und ist zur Stelle.“
Etwas nebulös-militärisch: „ Effiziente Landesverteidigung erfordert verlässliche regionale Strukturen so wie zivilmilitärische Zusammenarbeit bei Nutzung vorhandener Kapazitäten.“ Ein Netzwerk verbindet Militär mit zivilen Einrichtungen und Behörden, im Bund, in den Ländern (da gibt es 16 Kommandos!), Regierungsbezirken, Landkreisen und kreisfreien Städten. Aufgabe: „Militärischer Einsatz als Beitrag zur Schaffung von Sicherheit und Stabilisierung gesellschaftlicher Strukturen.“ Dazu kommt eine „Lageübersicht mit aktuellen Daten über die soziale und wirtschaftliche Lage der Bevölkerung, die ethnische Situation so wie über kulturelle und religiöse Besonderheiten.“ Fehlt bloß noch das Stichwort „Datenspeicherung“ , dann sieht das verdächtig aus wie „Überwachungsstaat“.
Nicht nur bei Katastrophen, auch gegen Demonstrationen kann diese „Zusammenarbeit“ in Aktion treten.
Einmal auf dieser Spur angekommen, lassen sich immer mehr Folgen der wachsenden Militarisierung der deutschen Politik entdecken. Ich erinnere zB daran, daß im vorigen Sommer 2 Piloten mit Flugzeug im Sauerland vom Himmel fielen und zu Tode stürzten. So kam zufällig heraus, daß die NATO in der Zeit mit vielen 100 Flugzeugen über unseren Köpfen Manöver abhielt zwischen Paris und Warschau, die von Kalkar aus gesteuert wurden! „Krieg beginnt hier!“