Revisionistische Propaganda bei Abiturfeier stößt bei Schülern auf Ablehnung. Schulleiter weist Kritik zurück
Von Markus Bernhardt, Junge Welt vom 25.07.2013 www.jungewelt.de Die diesjährige Abiturfeier des Duisburger Steinbart-Gymnasiums sorgt zunehmend für politische Auseinandersetzungen in der Ruhrgebietsmetropole. Wie das örtliche »Netzwerk gegen rechts« kürzlich bekanntmachte, wurden den Schülerinnen und Schülern bei der besagten Feierlichkeit, die bereits am 6. Juli im Duisburger Stadttheater stattfand, nicht nur ihre Zeugnisse ausgehändigt. Vielmehr erhielten alle Abiturienten des Abschlußjahrganges auch eine sogenannte Albertusnadel des Ehemaligenvereins der Schule. Der Anstecker wurde ihnen mit einem dazugehörigen Faltblatt überreicht. In diesem ist etwa vom »deutschen Osten« die Rede, während tatsächlich Gebiete in Rußland gemeint sind. Die Anstecknadeln selbst können unter anderem bei rechten und revisionistischen Organisationen wie der »Landsmannschaft Ostpreußen« erworben werden.»Verpackt wird die Forderung nach einer Grenzverschiebung nach Osten in einer ›Patenschaft‹ für eine nicht mehr existierende Schule im russischen Kaliningrad – oder ›Königsberg‹, wie die Stadt zur Zeit des Deutschen Reichs hieß und auch in dem Faltblatt genannt wird«, moniert das Duisburger Netzwerk. Auch bei einigen Schülern stößt die revisionistische Aktion auf Ablehnung. »Diese Nadel steht im Gegensatz zu dem, was uns im Unterricht über Versöhnung und Frieden beigebracht wurde, nämlich für Revanchismus und altdeutschen Nationalismus«, kritisierte etwa Leon Wystrychowski, der als Schüler des Steinbart-Gymnasiums an den Abiturfeierlichkeiten teilgenommen hatte, am Mittwoch im Gespräch mit jW.Allen Abiturienten wurde außerdem das Buch »Das Steinbart-Gymnasium zu Duisburg 1831–1981« ausgehändigt. In den Beiträgen, die sich mit der Geschichte der Bildungseinrichtung beschäftigen, wird etwa vom Zweiten Weltkrieg mit seinem »unglücklichen Ausgang« gesprochen. Außerdem wird der ehemalige Steinbart-Schüler und Widerstandskämpfer Harro Schulze-Boysen als »Landesverräter« verunglimpft. Schulze-Boysen war Mitglied der Widerstandsgruppe »Rote Kapelle« und wurde 1942 wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« und »Landesverrats« zum Tode verurteilt. Auf Befehl Hitlers wurde er am 22. Dezember 1942 in Berlin-Plötzensee erhängt.Mittlerweile fordern mehrere Jugendliche, die entweder noch Schüler des Steinbart-Gymnasiums sind oder es bis vor kurzem waren, von dessen Leitung eine kritische Aufarbeitung der Schulgeschichte sowie eine Distanzierung von dem geschichtsrevisionistischen Inhalt des verteilten Buches. »Der Inhalt schockierte uns: Von den ermordeten und deportierten jüdischen Schülern war keine Rede, dafür aber unter anderem von der ›nationalsozialistischen Revolution‹, dem alliierten ›Terrorangriff vom 13. Mai 1943‹, einem ›Bekenntnis zum deutschen Osten‹ – mit dem Gebiete in Polen und Rußland gemeint sind – seitens des Steinbart-Gymnasiums und einer totalen Verdrehung der Realität vom Kriegsende als ›Katastrophe von 1945‹«, kritisieren die Schüler in einer jW vorliegenden Erklärung. Sie trägt den Titel »Gegen Geschichtsverfälschung am Duisburger Steinbart-Gymnasium« und wird unter anderem vom »Netzwerk gegen rechts« unterstützt.Ralf Buchthal, kommissarischer Schulleiter des Gymnasiums, wies die erhobenen Vorwürfe gegenüber dieser Zeitung zurück. Das nur fragmentarisch zitierte Buch sei in »mehreren Etappen als fortlaufendes additives Werk zu sehen und spiegelt daher die Geschichte unserer Schule immer im gesellschaftlichen und politischen Kontext der Entstehungszeit wider«, verteidigte er den Band.